Seniorenmeeresangeln des Landesverbandes
- oder -
was Fischfang mit Politik zu tun hat
Erfahrungsaustausch fördern, Gemeinschaft stärken, kulturelles Erbe pflegen
Diese und weitere Attribute könnten den Verfassern bei der Formulierung der neuen Zielstellung für diese markante Traditionsveranstaltung durch den Kopf gegangen sein. Neben einem Dankeschön an die Teilnehmer für die geleistete Arbeit verband der Präsident Uwe Bülau in seinen Begrüßungsworten diese Fahrt zugleich mit der Möglichkeit, über die verbandsinterne Kommunikation hinaus aktuelle Entwicklungen zu diskutieren, Fachwissen zu vertiefen und gute Erfahrungen zu verallgemeinern.
Doch ehe das Quartier in Krummbek an der Kieler Förde erreicht werden sollte, mussten die hochfliegenden Angelträume der Teilnehmer erst einmal ganz alltägliche Hürden des Straßenpflasters überspringen. Baustellen, Staus und Straßensperrungen begleiteten sie schon vor dem eigentlichen Start in Halle, der mit Verspätung dann doch erfolgte. Und so war es trotz weiterer Hindernisse dann doch erstaunlich, dass der Bus mit allen Teilnehmern unser Quartier in Witt´s Gasthof fast pünktlich erreichte. Dank guter Vorbereitung durch Bernd Bormann klappte das Einchecken problemlos und nach dem individuellen Abendessen fanden noch viele angeregte Gespräche statt.
Ob selbstgebundene-namenlose-, wohlklingende-fertig gekaufte-, oder als Buttlöffel bezeichnete Montagen, der erste Tag stand ganz im Zeichen des Plattfischangelns. Und so nutzten alle Teilnehmer die Zeit bis zum Erreichen der Fanggründe, um die Angelausrüstung für den erfolgreichen Fang von Scholle, Kliesche oder Flunder individuell abzustimmen. Und natürlich wechselten, je nach Bestellung päckchenweise, zeitungskundige Wattwürmer ihren Besitzer.
Bei postkartenreifem Sonnenaufgang über der Kieler Förde, begleitet von sommerlichen Temperaturen, plagte so manchen Angler ein bisschen das schlechtes Gewissen beim Gedanken, dem Klimawandel doch etwas Gutes abgewinnen zu können. Angesichts der vielen Probleme durch anhaltende Trockenheit in den Gewässern daheim, wird man nicht umhinkommen, ihre Bewirtschaftung neu zu durchdenken. Da es Petrus mit uns an den kommenden zwei Tagen gut meinen sollte und der sogenannte „Goldene Herbst“ grüßte, schien auch eine Beschäftigung mit den historischen Wurzeln, Redewendungen und Gebräuchen unseres Hobbys angebracht.
Ob das auch zum Fangerfolg beitrug ist nicht verbrieft. Sicher ist aber, geschadet hat es angesichts der überaus zufriedenstellenden Menge gefangener „Platten“ auf keinen Fall. Mit der MS Blauort, die uns zielsicher an beiden Tagen zu ergiebigen Angelstellen steuerte, gelang es auch den nicht so erfahrenen Plattfischanglern, gute Fangerfolge zu realisieren.
Herrlich gezeichnete Schollen und andere „Platten“, die Größte maß einen halben Meter, waren der Lohn für eine geschickte Köder-Präsentation. Und natürlich blieb noch genügend Zeit, sich mit den kleinen Wundern und Kuriositäten der Natur zu beschäftigen. Offenbar war dem „Schleswig-Holsteinischen“ Wintergoldhähnchen auf der Hand von Siegmund Holz vom AV Gödnitz klar, dass von Anglern keine Bedrohung ausgeht.
In Sachsen-Anhalt jedoch wäre sie (die Hand) möglicherweise mit einem „temporären Nutzungsverbot“ belegt, oder zum „sensiblen Bereich“ erklärt, wenn nicht gar in ein SPA umgewandelt worden. Aber vielleicht besitzt der Seestern, den Hilmar Knoblauch vom Meeresgrund zu Tage förderte, für die Nachfolgerin der unsäglichen Ministerin Hendricks (…wie heißt sie eigentlich? Frau Svenja Schulze!) genügend Inspiration, um über weitere, unbegründbare Verbote (natürlich nur für Angler!) in der Ostsee nachzudenken.
Mit Staatssekretär Flasbarth, dem langjährigen NABU-Funktionär und ehemaligen Präsidenten des Vogelschutzvereins, hat sie ja erprobte Beamte zur Seite. Und natürlich machte auch die Information zur Dorschfangquote für das nächste Jahr auf dem Schiff die Runde.
Mit der Anhebung um 70% in der westlichen Ostsee für die Berufsfischerei war auch eine Streichung des Bag-Limits für Angelfischer zwingend erwartet worden. Dass die Anhebung nun selbst noch unter der Quote der Berufsfischer zurückbleibt ist nicht nur ungerecht, sondern eine aus unserer Sicht perfide Gängelei der Angler. Im Kontext mit der seit Jahren betriebenen Verschleppung der Kormoranbeschlüsse des EU-Parlaments betrachtet, scheint ein „durchkehren“ an einigen Brüsseler Schaltstellen wohl dringend angeraten.
Ungeachtet all dieser Widerlichkeiten des Alltages „erlebt der Angler -ganz im Sinne von Max Pieper, dem legendären Lehrer der deutschen Angelfischerei- immer wieder neu das Wunder der Natur. Da ist am Wasser und im Wasser mehr zu sehen und zu erleben, als Verstand und Gemüt erfassen können“. Und wie recht er hat, bestätigen die Erlebnisse, so auch am zweiten Tag.
Beim Dorschangeln zählt Ulrich Axthelm mit seiner legendären Dorschpfeife seit Jahren zu den aussichtsreichen Kandidaten für den größten gefangenen Fisch. Wenn sie (gemeint ist die Dorschpfeife) auch nicht an Strahlkraft eingebüßt haben mag, leuchtete wohl die Aura, die Ernst Bachmanns Pilker umgab, in diesem Jahr einen Funken heller. Und so maß der von ihm auf die Decksblanken gelegte Dorsch immerhin 65 cm. Die Spannung beim Fang und die Freude über die sichere Landung, wurden nur noch von der Fanggrößenauswertung an diesem Tag übertroffen. Als größter Fisch des Tages ging er ins Logbuch ein und spätestens beim genüsslichen Verzehr wird ein kulinarischer Nachhall auf dem Gaumen erfolgen.
Es gäbe noch so Einiges zu berichten, Lustiges, Kurioses und Nachdenkliches. Allen wichtig war jedoch, Angelfischerei als das zu erleben, was ihren universellen Wert für die Gesellschaft ausmacht. Angelfischerei ist Artenschutz durch Artennutz mit Nachhaltigkeit.
Angeln ist Kulturgut! GJ